Würde
mich jemand nach meiner angenehmsten Erfahrung in Mittelerde fragen, so würde
ich vermutlich antworten, daß ich endlich einmal nicht den dringenden Wunsch
verspürte, mir eine Tüte Zeit zu kaufen oder den 48-Stunden-Tag einzuführen.
Wenn es etwas gab, das ich hier in ausreichender Fülle besaß, so war dies eben
Zeit. Zwei lange Jahre zuviel davon, um genau zu sein!
Der
Sommer verging und machte einem goldenen Herbst Platz. Die wenigen Laubbäume
auf der großen Weide wurden mit jedem Tag ein wenig kahler. Nur die dunklen
Tannen, die sie wie ein Schutzwall umgaben, ragten majestätisch und vom
Jahreswechsel unbeeindruckt in die Höhe. Dem goldenen folgte der graue Herbst,
mit seinen kalten Stürmen und verregnetem, diesigem, ungemütlichem Wetter. Auch
der Höhlenpalast wirkte in diesen Tagen trist, und selten gelang es einem
Sonnenstrahl, die düsteren Hallen über ein Dämmerlicht hinaus zu erhellen. Es
war die rechte Zeit, sich in sein Bett zu verkriechen, mit einer Leselampe auf
dem Nachttisch und einem spannenden Buch in der Hand.
Nur
leider... in Mittelerde gab es keine Lampen. Keine elektrischen jedenfalls. Die
Ölleuchten waren nicht wirklich als Lesehilfe geeignet, da ihr kläglicher
Schein kaum dafür ausreichte, genügend Licht zu erzeugen. Fackelhalterungen gab
es in meinem Schlafgemach keine. Und selbst wenn, so hätte ich kein Buch
besessen. Ich war müde und depressiv und hätte am liebsten die meiste Zeit
geschlafen.
Die
ersehnte Ruhe bekam ich jedoch nicht. Die kleinen Elben erwiesen sich nämlich
als eine wahre Landplage, mit einem Temperament und einer Ausdauer, die beide
so schnell nichts erschüttern konnte. Da es bei diesem Wetter unmöglich war an
der frischen Luft zu spielen, mußten wir mit den langen Gängen oder dem
Speisesaal – außerhalb der Mahlzeiten – vorlieb nehmen.
Langweilig
wurde uns dabei nicht. Ich war über mich selbst erstaunt, daß mir immer wieder
etwas Neues einfiel, womit ich die kleine Rasselbande beschäftigen konnte.
Oftmals gaben mir die Kinder selbst erst den Anstoß dazu, sei es durch
irgendwelche lustigen Äußerungen oder ein Mißverständnis beim vorangegangenen
Spiel. Glücklicherweise gefiel ihnen aber auch der ein oder andere Zeitvertreib
gut genug, daß wir ihn wiederholen konnten und ich nicht jeden Tag etwas anderes ersinnen mußte.
Heute
hatten wir uns vor dem großen Kamin in der Haupthalle versammelt und wärmten
uns an einem prasselnden Feuer. Die Kinder saßen kunterbunt um mich herum und
ausnahmsweise waren diesmal auch die Mädchen dabei. Celthor hatte sich mit der
Behauptung er fühle sich nicht gut entschuldigt. Ich wurde das Gefühl nicht
los, daß dies ein ziemlich gemeiner Versuch war, seine Pflichten auf mich
abzuwälzen.
Gerade
hatte ich in Erfahrung gebracht, daß die Kinder die Geschichte Bilbos noch
nicht kannten, oder doch zumindest nur den nüchternen Teil, der sich auf die
Gefangennahme der Zwerge und die Schlacht der Fünf Heere bezog. Nach einigem
Nachdenken und da ich unmöglich beide Grüppchen gleichzeitig mit einem Spiel
zufrieden zu stellen wußte, begann ich also erst ein wenig zögerlich, dann
sicherer den „Hobbit“ nachzuerzählen.
Zugegeben,
ich mußte an einigen Stellen ein wenig schummeln, da mich trotz mehrmaligen
Lesens des Werkes mein Gedächtnis mal wieder fürchterlich im Stich ließ. Um
keine Lücke entstehen zu lassen, schmückte ich diese nach anfänglichen Skrupeln
munter und bunt und manchmal ziemlich sinnlos aus.
Den
Kindern jedenfalls schien es zu gefallen. Nur Radagast, der sich mittendrin
leise hinzugeschlichen hatte, suchte mich einige Male mit hochgezogenen
Augenbrauen zur Ordnung zu mahnen und brach einmal in einen ziemlich heftigen
Hustenanfall aus, von dem ich nicht mit Bestimmtheit sagen konnte, ob meine
Kreativität oder sein Pfeifenkraut ihn verursacht hatten.
Am nächsten
Tag übernahm Celthor ganz gegen meine Befürchtungen und ohne einen Kommentar
wieder seine Aufgaben. Er war ein ruhiger Elb, der selten sprach und sich mir
gegenüber stets freundlich, wenn auch sehr zurückhaltend verhielt. Ganz wie
Radagast vorhergesagt hatte, war er nach dem ersten Schreck über die
Menschenfrau dankbar für meine Hilfe.
Am
Nachmittag des selben Tages suchte er mich auf um mir mitzuteilen, daß es für
die älteren meiner Schützlinge an der Zeit war, den Umgang mit Pfeil und Bogen
zu erlernen.
Er
betrachtete mich eine Weile.
„Wenn du
zusehen magst, achte ich solange auf die anderen.“
Ich
wollte bereits freudig zustimmen. Das war sicher höchstinteressant! Mitten im
Luftholen brach ich ab. Würden die Buben es mir übelnehmen, wenn ich sie mit
dem verhaßten Ersatzkindermädchen alleine ließ?
Es war
wieder einmal der muntere Anarion, der als erster sein Stimmchen erhob. Statt
über die eben geäußerte Zumutung zu maulen, strahlte sein Gesicht vor
Begeisterung und Freude.
„Können
wir auch zusehen? Och, bitte, ja?!“ Er stand auf den Zehenspitzen, mit weit in
den Nacken gelegtem Köpfchen vor dem großen Elben und zupfte ihn energisch an
seiner feinen Tunika, als genügte sein lautes Krähen nicht, auf sich aufmerksam
zu machen.
Ich
schmunzelte. Eigentlich war es eher ein süffisantes Grinsen. Konnte ein
erwachsener Mensch diplomatischer sein?
Ich
beschloß, in die gleiche Kerbe zu schlagen. „Dann hättest du auch nicht so viel
Arbeit. Ich passe schon auf sie auf“, versicherte ich dem Elben, dessen ohnehin
geringer Widerstand bereits bröckelte.
Mit einem
wissenden Blick, der mir wieder einmal verdeutlichte, daß der Mensch, der einen
Elben überlisten wollte erst noch geboren werden mußte - oder besser gesagt
niemals würde - hob er Anarion in seine Arme.
„Wenn ihr
mir versprecht recht artig zu sein, bei Elanor zu bleiben und nicht in der
Halle herum zu laufen“, gab er scheinbar widerstrebend nach, woraufhin der
Knabe eifrig nickte.
Ich muß
zugeben es war das erste Mal, daß mir ein Düsterwaldelb wirklich sympathisch
war. Eine Ahnung stieg in mir hoch, daß sie vielleicht doch nicht so
verschieden von ihren Verwandten in Bruchtal waren und auch keineswegs so
humorlos wie ich angenommen hatte. Sie waren zurückhaltender und zeigten ihre
Gefühle nicht so offen. Das harte Leben in dieser gefährlichen Gegend hatte sie
vielleicht stärker geprägt, als sie dies selber gerne zugelassen hätten.
Und die
steifen Höflinge und Edeldamen waren wahrscheinlich ohnehin ein Kapitel für
sich.
Ich
bemerkte spät wie sehr nachdenklich ich Celthor anstarrte und gar nicht, daß
die Knaben längst verschwunden waren.
„Wenn du
den Weg zur Bogenhalle nicht kennst, solltest du dich beeilen die Kinder
einzuholen“, neckte Celthor gutmütig und blinzelte mir tatsächlich zu!
Ich starrte
noch dämlicher, weil ich glaubte meine Phantasie spielte mir etwas vor,
schüttelte meine Benommenheit ab, blickte mich um und rannte schließlich zur
Tür hinaus. Auf dem Gang konnte ich gerade noch den letzten der Kinderschar um
eine Ecke biegen sehen und flitzte hinterher.
Naja,
eigentlich stürzte und stürmte ich eher, um den Anschluß nicht zu verlieren und
kam völlig außer Atem in der sogenannten Bogenhalle an, einem gänzlich leeren,
langen Raum mit Zielscheiben an einem weit entfernten Ende. Zu meiner großen
Überraschung erwartete dort der Meister des Bogenschießens höchstselbst die
quirlige Scharr. Legolas nickte mir neutral zu und ließ nicht erkennen, ob er
sich überhaupt an mich erinnerte.
Aber er war
ein Elb, nicht wahr? Und ich einer der wenigen jemals im Düsterwaldpalast
aufgetauchten Menschen. Der sich noch dazu vor dem Königssohn ganz fürchterlich
blamiert und beinahe Kopf und Kragen eingebüßt hatte. Natürlich erinnerte er
sich an mich.
Ich stöhnte.
Innerlich.
Nachdem
ich den ersten Schock überwunden und meinem rasselnden Atem erlaubt hatte zur
Ruhe zu kommen, scharte ich alle, die für den Unterricht noch zu jung waren um
mich, wie eine Glucke ihre Kücken. Ungefähr genauso aufgeregt und laut
gackerten sie auch. Legolas, umringt von den nicht minder zappeligen aber
wenigstens stillen Älteren, warf mir einen mißbilligenden Blick zu.
„Wir
wollen nur zusehen!“ entschuldigte ich mich, „wir werden auch ganz leise
sein...“
Klang das
irgendwie lächerlich? Und so unheimlich überzeugend!
Besonders
weil ich mir selbst offensichtlich so wenig zutraute die kleinen Raubtiere zu
bändigen, daß meine Stimme nur nervös piepste.
Legolas’
Augenbraue zuckte in die Höhe. Sonst bewegte sich nichts in seinem strengen
Gesicht. Das war auch gar nicht nötig, um mich noch mehr aus der Fassung zu
bringen. Wie war es nur möglich, soviel Gewicht in eine solch sparsame Mimik zu
legen?!
„Ssscht!
Seid doch bitte ruhig!“ flehte ich die Kinder an, was natürlich überhaupt keine
Wirkung zeigte.
Ich
spürte, wie ich langsam unter dem unnachgiebigen Blick des Königssohnes
errötete. Mein sonst so souveräner Umgang mit den Kindern entglitt völlig
meiner Kontrolle und meine gesamte Autorität drohte zusammenzubrechen. Ich
fühlte mich wie jemand, der vergeblich versucht, seine ausgebreitete
Briefmarkensammlung vor dem hereinwehenden Wind zu schützen und dabei nicht auf
die Idee kommt, einfach das Fenster zu schließen.
Ich
atmete tief durch, dachte an das Schlimmste, was ich in meiner Situation tun
konnte, um mich für das Gegenteil entscheiden zu können und schreckte vor dem
Gedanken zurück, was passieren würde, wenn ich versagte. Immerhin waren es
lauter kleine Edle, die mir anvertraut waren und auf eine triviale Weise sollte
ich gerade meinen Eignungstest vor dem Sohn des Königs ablegen!
In meiner
Not suchte ich meine Zuflucht in einer gemeinen Drohung:
„Wenn ihr
nicht sogleich ruhig seid, schicke ich euch alle zu Celthor!“
Entsetztes
Schweigen und ängstliche Gesichter bestätigten mich in der Wahl meiner Taktik.
Augenblicklich trat Ruhe ein.
Ich
atmete noch einmal tief durch. Diesmal aus Erleichterung. Und warf Legolas
einen halb schuldbewußten, halb triumphierenden Blick zu.
Der Königssohn
wandte sich wortlos von uns ab und seinen Schülern zu. Eine Geste, die mir nur
zu deutlich zeigte, wie un-bedeutend
ich war...
Legolas
hatte für die Knaben einen kleinen, kindgerechten Übungsbogen mitbracht, ebenso
wie die dazugehörigen Pfeile. Seine eigene Waffe lag abseits auf einem schmalen
Tisch, dem einzigen vorhandenen Möbelstück.
Ich weiß
nicht ob es Gedankenlosigkeit oder Absicht war, die ihn seine Ausführungen im
Waldelbendialekt vortragen ließ. Jedenfalls verstand ich kaum zwei zusammenhängende
Worte. Aber da ich mit den entsprechenden Fachbegriffen ohnehin nichts
anzufangen gewußt hätte, wäre es mir vermutlich auch nicht viel besser
ergangen, hätte er reines Sindarin gesprochen.
Leise zog
ich mich mit den Kleinen in eine Ecke zurück, wo wir es uns auf dem harten
Steinboden so bequem wie möglich machten.
Alle
Kinder ohne Ausnahme hingen begeistert an den Lippen des Elben, der seine
Erklärungen mit vielen Gesten und anhand des kleinen Bogens verdeutlichte. Da
ich mit beidem nicht viel anfangen konnte, konzentrierte ich mich statt dessen
auf die Person selbst.
Legolas
schien inmitten der Kinderschar aufzublühen. Seine Augen leuchteten und sein
Gesicht zeigte immer häufiger ein fröhliches Lächeln. Es war keine gütige
Nachsicht, wie etwa die, mit der er mich trotz meiner Vergehen behandelt hatte,
sondern wirkliche Heiterkeit. Je länger ich ihn betrachtete, desto klarer wurde
mir, welches Vergnügen ihm diese Lehrstunde mit den Kindern bereitete, was
schließlich auch erklärte, weshalb er selbst sie unterrichtete, wo sich doch
sicher ein Bediensteter für diese Aufgabe gefunden hätte.
Schließlich
durfte Berigond als erster den Bogen in die Hand nehmen und nach Korrektur der
Haltung und einigen probeweisen Zügen an der Sehne, einen Pfeil auflegen. Er
war viel zu aufgeregt um alles richtig zu machen, aber Legolas wurde nicht
müde, ihn und später auch die anderen mit größter Geduld immer und immer wieder
zu verbessern, bis endlich der erste Pfeil vom Bogen schnellte.
Wir
befanden uns am hinteren Ende der Halle und wahrscheinlich reichte die
Tragweite des Mini-Bogens nicht einmal bis zu den Zielscheiben. Aber sie zu
treffen war wohl auch nicht der Sinn dieser ersten Unterrichtslektion.
Die
Kinder hatten riesigen Spaß. Nicht nur die aktiven Älteren, auch die Kleinen an
meiner Seite. Ich selbst begann mich ehrlich gesagt nach einiger Zeit zu
langweilen und döste irgendwann mit offenen Augen vor mich hin.
„Möchtest
du es auch einmal versuchen?“
Ich
zuckte zusammen, weil ich mit meinen Gedanken gerade ganz wo anderes gewesen
war. Desorientiert hob ich den Kopf.
„Ich...?“
Seinen
eigenen Bogen in der linken Hand stand Legolas vor mir und hielt mir
aufmunternd die Rechte als Aufstehhilfe entgegen.
„Ich weiß
nicht...“ Meine Augen suchten das andere Ende der Halle. Ich konnte von hier
aus nicht einmal die Zielscheibe richtig erkennen. Es war eigentlich eher eine
Ahnung, daß dieses runde, verschwommene Etwas da hinten, so etwas in der Art
sein sollte... Wie sollte ich da Bogenschließen lernen?
Andererseits
hatte ich nun die Gelegenheit, es mir von einem echten Meister zeigen zu
lassen. Ich beschloß, es wenigstens einmal zu probieren, nahm jedoch die
dargebotene Hand nicht an und rappelte mich ohne Hilfe auf. Erst als es zu spät
war bemerkte ich, daß dies sehr unhöflich gewesen war. Ich lächelte dümmlich
und schlug schüchtern die Augen nieder. Das Gefühl der Minderwertigkeit, das
mich schon bei unserer ersten Begegnung überkommen hatte, war wieder da.
Energisch preßte ich Zähne und Lippen aufeinander. Das half ein wenig, aber nur
so lange, bis Legolas neben mich trat und mir seinen Bogen in die Hand drückte.
Unbeholfen
nahm ihn und starrte ihn unschlüssig an.
„Halte
ihn nicht so krampfhaft, als wäre er dein Feind“, stichelte Legolas amüsiert.
Das wirkte.
Elbenprinz oder nicht! Offenen Spott hatte ich noch nie schweigend hinnehmen
können!
„Ich hab
noch nie sowas in der Hand gehalten!“ schnappte ich beleidigt und schob
schmollend die Unterlippe vor.
„Wie man
unschwer erkennen kann“, ließ Legolas sich nicht aus seinem Gleichmut bringen.
„Greife ihn etwas tiefer. Da oben muß nämlich der Pfeil hin.“
Diese
Belehrung muß man sich ungefähr mit einem Tonfall und einer Mimik vorstellen,
mit denen man einer geistig Minderbemittelten erklärt, daß sie erst das
Stromkabel in die Steckdose tun muß, damit der Toaster funktioniert...
Grummelnd
schluckte ich eine spitze Bemerkung hinunter und befolgte seine Anweisung. Dann
stellte ich mich betont lässig hin und versuchte die Sehne zu spannen. Das
sollte ohne Pfeil eigentlich kein Problem sein, nicht wahr? Denkste! Ich sah
ziemlich dämlich drein, als sich das Ding überhaupt nicht bewegen ließ!
Also nahm
ich einen neuen Anlauf und zog noch einmal – aber wesentlich kräftiger – an der
hellen Schnur.
- und
brach mit einem nur halb unterdrückten Kraftwort ab. Legolas’ rügendes Räuspern
wegen der anwesenden Kinder ließ ich unkommentiert.
Endlich
erinnerte ich mich daran einmal gelesen zu haben, daß das Zuggewicht bei den
echten Waffen unseres Mittelalter um
ein Vielfaches stärker gewesen war, als bei den üblichen Sport- und sogar
Profibögen der heutigen Zeit.
Ich biß
die Zähne zusammen und bemühte mich ein drittes Mal, wobei es mir gelang, den
Bogen auf ungefähr zehn Zentimeter zu spannen. Ein unangenehmes Zerren in der linken
Schulter ließ mich stöhnend den Bogen senken.
„Bin ich
Odysseus?“ maulte ich den Prinzen an.*
Der gab
nur einen fragenden Laut von sich, hatte aber wohl begriffen, daß ich mit
diesem Bogen unmöglich umgehen konnte. Er hob entschuldigend die Schultern,
nahm ihn mir ab und reichte mir statt dessen den Kinderbogen.
„Versuch
es damit“, sagte er einfach, völlig ohne anzüglichen Unterton und noch immer
freundlich lächelnd.
Ich
sollte mit einem Kinderbogen schießen? Na gut. Wenn es denn sein mußte...
Resigniert
nahm ich das Spielzeug an, stellte aber zufrieden fest, daß sich diese Sehne
wesentlich leichter spannen ließ. Einige Fingerzeige und Belehrungen später,
entließ auch ich meinen ersten Pfeil. Ein leises Surren war zu hören und über
dem Kichern der Kinder verpaßte ich das Klirren beim Herabfallen, so daß ich
die Lage des Pfeils nicht orten konnte. Mit zusammengekniffenen Augen suchte
ich den Boden in einer Entfernung von ungefähr fünf Metern vor mir ab. Das war
in etwa die Weite, die die Kinder erreicht hatten und in deren Umfeld ich
meinen Pfeil nun vermutete.
Dummerweise
konnte ich ihn einfach nicht erkennen. Wo war er nur hin? Das Gelächter um mich
herum wurde lauter. Schon gut, schon gut! Sie wußten inzwischen alle wie schlecht
ich tatsächlich sah und von Kindern konnte ich unmöglich Rücksicht für diesen
Mangel erwarten, nicht wahr?
Ich hätte
noch viel länger nach dem Pfeil gesucht, hätte nicht ein schlanker Zeigefinger
zweimal vorsichtig auf meine Schulter getippt und dann, als ich mich umwandte
zu Boden gedeutet. Begriffsstutzig sah ich hinab, wo das kleine Geschoß
unmittelbar vor meinen Füßen lag.
Ich
stöhnte. Nein, so etwas konnte wirklich nur mir passieren! Dann erkannte ich
Legolas’ nur mühsam unterdrückte Heiterkeit und das gefährliche Zucken um seine
Mundwinkel und meine Selbstironie siegte über meine Beschämung.
Ich
stimmte nach einem letzten Versuch den kläglichen Rest meiner Würde zu
verteidigen, in das allgemeine Gelächter ein.
__________
* Nach der Sage besaß Odysseus einen Bogen, den
außer ihm niemand spannen konnte. Seine Frau Penelope nutzte diesen Umstand, um
sich die unerwünschten Freier vom Hals zu halten: Sie willigte ein, denjenigen
zu ehelichen, der es vermochte, den Bogen ihres vermißten Gemahls zu spannen –
was natürlich niemand fertig brachte.
~*~