„Man sagt
er habe eine lange Unterredung mit diesem widerlichen kleinen Kerl geführt, der
seit zwei Wochen unsere Kerker verpestet.“ Celthor beugte sich flüsternd über
den Tisch, als wolle er vermeiden von sonst jemandem gehört zu werden.
Ich
versuchte meine Augen auf den Mann am anderen Ende der langen Tafel zu
fokussieren. Hoffnungslos. Ich sah einen spitzen Hut, der fein säuberlich
hinter ihm an einem Haken an der Wand hing und einen langen grauen Bart, der
nahtlos in das gleichfarbige Gewand überging. Aus der Entfernung. Und ohne
Brille. Ich seufzte.
„Was ihn
wohl dazu bewogen haben mag?“ sinnierte Galvorn und betrachtete den Besucher
mit ehrlichem Interesse.
„Vielleicht
denkt er, er sei noch nicht völlig dem Bösen anheim gefallen“, plapperte ich
ohne nachzudenken und stürzte einen halben Becher Wein die Kehle hinunter. Ich
war schlecht gelaunt. Nein. Ich war richtig sauer! Seit Tagen lungerte ich in
jeder freien Minute vor dem Eingang zu den Verliesen. Ich wollte unbedingt
einen Blick auf Gollum erhaschen! Mal ehrlich. Wer an meiner Stelle hätte sich
das nicht gewünscht? Eklige stinkende Kreatur hin oder her.
Sie
hatten mich nicht durchgelassen. Die beiden schwerbewaffneten Elben, die den
Torbogen flankierten. Da half kein Betteln und kein Flehen. Mit Schimpfen und
Drohen hatte ich es besser gar nicht erst versucht. Vermutlich wäre ich dann
hineingekommen, aber nicht wieder heraus. Und bei meinem Glück hätten sie mich in
eine Zelle gesperrt, von der aus ich Gollum überhaupt nicht zu Gesicht bekommen
hätte!
Gandalf
hatten sie natürlich sofort zu ihm gelassen. Vermutete ich. Dabeigewesen war
ich nicht. Und jetzt konnte ich den legendären Zauberer nicht einmal
begutachten. Konnte ja schlecht hinübergehen und mich zu diesem Zweck neben ihn
stellen! Es war zum Verrücktwerden! Da war man schonmal in Mittelerde und was
bekam man geboten? Nichts! Selbst König Thranduil hatte ich bislang nur aus der
Ferne gesehen und einzig an seinem prächtigen, mit Gold und Juwelen bestickten
Gewand, dem üppigen Schmuck und der dekorativen Blätterkrone erkannt.
Und
Schuld daran war nur dieser braune Narr mit seinen sonderbaren Einfällen!
Ich schnaufte
wie ein gereizter Stier, starrte einen kurzen – einen sehr kurzen - Moment in
den Becher und leerte ihn gleich darauf in einem langen Zug.
„Du
meinst Mithrandir hofft darauf, dieses... Geschöpf zu heilen?“ Galvorn rutschte
aufgeregt ein Stück auf der Bank nach vorne und ließ den Zauberer nicht aus den
Augen.
„Nee... laß mal. Nich von dir!“ lallte ich mit
schwerer Zunge. Angestrengt verdrehte ich die Augen und zwang sie mit komischen
Verrenkungen zum Offenbleiben. Zu spät bemerkte ich, daß ich dem Elben an
meiner Seite beruhigend die Hand tätschelte.
Ich hatte
entschieden zu viel getrunken...
Wir saßen
zu dritt am abgelegenen Ende der Tischreihe. Die Kinder waren wieder in der
Obhut ihrer Mütter und zwischen uns und den nächsten Elben befand sich ein
freier Raum von ungefähr drei Metern.
Galvorn
war unruhig. Irgendwie logisch, daß sich der Heiler in ihm regte. Aber ich
zweifelte keine Sekunde daran, daß dies hier seine Fähigkeiten überstieg.
Kleinigkeit. Ich wußte schließlich,
daß Gollum nicht geheilt worden war. Aber das konnte ich meinem Lieblingselben
ja nicht sagen. Oder? Na also!
Irgendwie
hatte sich mein Becher von alleine wieder gefüllt und ich hob ihn zum Mund. Und
irgendwie grinste Celthor mich dabei so seltsam an... Ich schüttelte leicht
benommen den Kopf. War wohl eine Täuschung. Celthor grinste nie. Jedenfalls
nicht öffentlich.
Als ich
darüber nachdachte – was in meinem berauschten Zustand bereits nicht mehr ganz
einfach war – fiel mir etwas auf. Während unser ernster Bibliothekar aussah,
als hecke er gerade einen tollen Streich aus, blickte der stets fröhliche
Kinderhüter drein, als hätte ihm jemand Essig in seinen Kaffee geschüttet oder
von ihm verlangt, die großen Eichen vor dem Haupttor zu fällen.
Natürlich
war ich taktlos – und angeheitert - genug, ihn darauf anzusprechen.
„Estel
hat Nachricht aus Lórien gebracht“, seufzte er, um eine Nuance blasser als
selbst der lichtscheue Celthor. „Die Herrin Galadriel erwartet den Besuch ihrer
Verwandten. König Thranduil hat die Begleitung einer geeigneten Person für die
Betreuung ihrer Kinder angeordnet.“
„Und? Ist
das so schlimm?“ wunderte ich mich und drehte den Becher in der Hand. Dabei
schwappten ein paar Tropfen heraus und färbten die helle Tischplatte wie
dunkles Blut.
Galvorn
wandte sich ab.
Gegenüber
räusperte Celthor sich betont auffällig und lenkte meine Aufmerksamkeit auf
sich. „Wer gerne durch den Düsterwald reitet...“ Er verzog das Gesicht zu einer
leidenden Miene und langte nach dem
tönernen Krug, um mir nachzuschenken. Ich hielt ihm mechanisch den Becher hin.
„Sag mal,
würdest du nicht Gefallen an einer Reise zum Goldenen Wald finden?“ fragte er
geschäftig.
„Ich?“
Er nickte
und in seinen Augen glänzte etwas, das eine zynische Freude genannt werden
konnte – oder vom Widerschein der Öllampe herrührte.
„Weshalb
reist du nicht mit?“
Er zuckte
die Achseln. „Pflichten“, erklärte er einsilbig.
„Ah...“
Worin auch immer die bestehen mochten. „Und weshalb kann oder soll Galvorn
nicht nach Lórien?“ fragte ich unschuldig.
„Das wäre
keine sehr gute Idee...“, erwiderte dieser befangen.
Ach ja,
ich erinnerte mich. Der Skandal! Selbstverständlich war es unter diesen
delikaten Umständen nicht ratsam, Galvorn nach Lórien zu schicken. Mit einem
Mal verstand ich auch, wie es sowohl Lindor als auch Radagast gelungen war, ihn
unauffällig von diesem Besuch im letzten Frühjahr abzubringen, ohne den
tiefsinnigeren Grund preiszugeben. Ich sag ja, ich bin nicht die Schnellste im
Denken...
Ob dies
nun ein neuer Versuch der Hohen Dame war, an meinen Wunderheiler heranzukommen?
Eifersucht wogte in mir auf. Völlig unbegründet. Natürlich. Und vom Weinrausch
bestärkt. Dabei galt ihr einziges Interesse seinem Wissen – oder besser gesagt
dem, was ihr Spiegel ihm und damit ihr zeigen konnte. Ich schüttelte energisch
den Kopf und schimpfte mich selbst einen Trottel und Idioten.
Mein
Blick wurde glasig und konzentrierte sich auf einen unsichtbaren Punkt irgendwo
hinter Celthor. Langsam schlich sich ein Grinsen in mein Gesicht.
Welch
eine herrliche Idee! Die Herrin Galadriel suchte Galvorn zu umgarnen, damit er
in ihren Spiegel sah und wurde von ihm zurückgewiesen. Sie sandte ihm einen
Boten und er vereiste nach Bruchtal. Sie lud ihre Verwandten ein und statt
seiner begleitete eine dumme Menschenfrau die Kinder! Ich griente boshaft.
Die Sache
hatte nur einen Haken. Galadriel wußte von meiner Existenz. Schließlich war ich
diejenige, über die sie durch Galvorn Informationen zu erhalten hoffte. Sie
würde nicht lange für die Erkenntnis brauchen, daß ich eben diese Menschenfrau
war, nach der sie so wißbegierig suchte.
In der
Mitte des Saales hatte ein munteres Wettsingen begonnen, das nicht so recht zu
den Musikanten im Hintergrund passen wollte. Bildete ich mir zumindest ein.
Aber ich war ja auch nicht mehr nüchtern...
Mühsam
sammelte ich mich und stierte erneut in den Becher. War der nicht gerade eben
noch voll gewesen? Ich schüttelte benommen den Kopf. Dieser waldländische Wein
verschwand wie von selbst.... Ich hob den Becher um seinen Boden zu inspizieren
und schüttete ich mir einen Teil des Inhalts über die Nase. Egal... Es gab ja
genug davon. An der Tür stand ein mächtiges Eichenfaß, das bestimmt fünfhundert
Liter faßte.
Lässig
wischte ich mir die Spritzer aus dem Gesicht und begann ohne Vorwarnung ein
Trinklied zu grölen. Was ja schon an sich schlimm genug gewesen wäre. Eine
Sekunde verschwendete ich an den Gedanken wie unpassend das war und wie sehr
ich mich am nächsten Tag dafür schämen würde. Als nächstes redete ich mir ein,
daß ich zwar einen ordentlichen Schwips hatte, aber selbstverständlich noch
völlig in der Lage war, vernünftig zu denken.
Und zu
handeln.
Selbstverständlich!
Naja gut.
Zu handeln vielleicht nicht mehr wirklich. Ich war bereit, hier einen Kompromiß
einzugehen. Schließlich jaulte ich gerade zum Steinerweichen...
Nein, das
Singen an und für sich, war nicht das Schlimmste. Aber mußte es ausgerechnet
>Im tiefen Keller< sein?! Konnte ich nicht irgendetwas – ich meine irgend etwas – anderes wählen? All
jenen, die das Lied nicht kennen sei gesagt, daß ein gewöhnlicher Sterblicher
es wegen seiner hohen Tonsprünge schon im nüchternen Zustand kaum singen kann.
Gut, sterblich war ich nicht mehr, aber in vielerlei Hinsicht mehr als
gewöhnlich...
So war es
auch kaum verwunderlich, daß meine beiden Tischgenossen sich nach den ersten
Takten lachend und stöhnend zugleich die Ohren zuhielten und mich anflehten
damit aufzuhören. Als das nichts fruchtete, versuchte Celthor mich aufs Neue
zum Trinken zu animieren. Komische Taktik. Ich konnte zwar nicht gut schlucken
und gleichzeitig singen, aber danach mußte mein Gegröle nur noch
ohrenbetäubendere Ausmaße annehmen. Selbst in meinem Rausch war ich zu dieser
Erkenntnis fähig.
Jetzt
kamen auch die ersten Proteste vom Nachbartisch. Da hielt ich es dann doch für
ratsam zu schweigen. Ich schürzte beleidigt die Lippen. Spielverderber...
Gekränkt griff ich zum Weinbecher und erkannte zu meiner Freude, daß dieser bis
zum Rand gefüllt war. Celthor grinste. Diesmal war ich mir ganz sicher. Galvorn
hingegen schüttelte vorwurfsvoll den Kopf in Richtung des Freundes und nahm mir
das Trinkgefäß ab.
„Hey!“
beschwerte ich mich und hielt plötzlich ein Glas mit einer trüben Flüssigkeit
in der Hand.
„Trink
das!“ befahl Galvorn knapp und im Tonfall des strengen Heilers gegenüber seiner
unvernünftigen Patientin.
„Was’n
das?“ Ich betrachtete das Zeug skeptisch, trank dann aber doch und schüttelte
mich angewidert. „Bäh...“
„Etwas
das dir ermöglichen wird, auf deinen eigenen Füßen zu Bett zu gehen“,
antwortete mein Lieblingselb wegwerfend und Celthor gluckste vor Lachen.
Ich
runzelte die Stirn und dachte nach. Versuchte es zumindest. Aber offensichtlich
hatte die Medizin keine ernüchternde Wirkung, denn ich erkannte nicht, was hier
gespielt wurde.
Celthor
lehnte sich schmunzelnd zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Schade“,
kommentierte er, trank nun seinerseits einen ordentlichen Schluck und grinste
Galvorn spöttisch an.
„Der ist
ja betrunken...“, stellte ich todernst fest und beide brachen in heiteres
Gelächter aus. Ich runzelte die Stirn. Was war so komisch?
Ehe ich
nachfragen konnte, öffnete sich die schwere Eichentür und drei, nein, vier
Elben traten ein. Mir fiel sofort auf, daß sie nicht von hier waren, denn sie
trugen fremdartige Kleidung. Ein allgemeines Raunen ging durch den Saal, wovon
die Neuankömmlinge sich aber nicht im mindesten beirren ließen. Mit einem
grüßenden und wie mir schien leicht arroganten Nicken nach allen Seiten
schritten sie durch die Tischreihen geradewegs auf den König zu. Ihre tiefe
Verbeugung vor ihm zeugte von Respekt.
Gespannt
spitzte ich die Ohren. Es war mucksmäuschenstill im Saal.
„Wir
entbieten dem König des Waldlandreiches den Gruß des Herren und der Herrin von
Lothlórien“, sprach der Vortretende steif. Die anderen blieben abwartend im
Hintergrund.
„Uuh...“,
entfuhr es mir. Schnell schlug ich die Hand vor den Mund und zog den Kopf ein.
Doch glücklicherweise schenkte mir ohnehin niemand Beachtung. Also gönnte ich
mir noch ein leises, verhaltenes Stöhnen. Dieser Dialekt war aber auch zu
fürchterlich! Fand ich... Eigentlich konnte ich das überhaupt nicht beurteilen.
Außerdem war ich – nunja – ich war schließlich nicht mehr wirklich
zurechnungsfähig, nicht wahr...
Thranduil
gab den Musikanten ein Zeichen und sogleich spielten sie zum Tanz auf. Als wäre
dies gleichzeitig ein Befehl an seine Untergebenen, führten diese ihre
Gespräche an der Stelle fort, an der sie sie abgebrochen hatten, und jeder
Versuch die Unterhaltung zwischen König und Boten weiter zu verfolgen,
scheiterte an der neu entbrannten Geräuschkulisse.
Ich zog
eine Schnute. Das war nicht fair!
„Boten
aus dem Goldenen Wald?“ wunderte sich Celthor und sah Galvorn mit hochgezogener
Augenbraue an.
Galvorn
seufzte. >Nicht schon wieder<, drückte seine ganze Haltung aus.
Ich
kicherte. Der hatte von Galadriels Boten wohl ein und für allemal genug!
Ein
blonder Elb kam auf uns zu und setzte sich unaufgefordert an den Tisch.
Irgendwie kam er mir bekannt vor. Ich nippte verhalten an dem Rest der Medizin
und beobachtete ihn über den Glasrand. Hey! Jetzt wußte ich wieder, wo ich ihn
bereits gesehen hatte. Oh Wunder! Elli konnte sich an ein Gesicht erinnern, das
sie sich weniger als zwei Minuten hatte einprägen können! Das war doch der
schneidige Wachtposten, der mir vor ungefähr zwei Wochen meinen Heiler entführt
hatte! Ich entschied, daß dies nicht gerade ein triftiger Grund war ihn zu
mögen...
Sie
stellten ihn mir als Amondir vor. Er tat geheimnisvoll.
„Dies
sind keine Boten der Hohen Dame!“ wußte er zu berichten. Er ergötzte sich eine
Weile an unserer Verwirrung und schenkte sich dann erstmal großzügig einen
Becher Wein ein. Danach trank er genüßlich schlürfend und wischte sich
unelbisch mit dem Ärmel den Mund.
Amüsiert
kräuselte ich die Lippen. Ja ja, Soldatenleben ist eben hart.
Um ihm zu
beweisen, daß auch ich die hohe Kunst der Mißetikette beherrschte, kramte ich
großspurig meine Pfeife hervor und stopfte sie umständlich. Galvorn räusperte
sich zwar tadelnd in meine Richtung, doch das störte mich überhaupt nicht. So
langsam sollte er sich an meine Unsitte gewöhnen. Schließlich hatte ich wegen
ihm bereits genug aufgeben müssen! Oder?!
„Was
weißt du darüber?“ lenkte Celthor ab.
Amondir
schlug gemütlich die Beine übereinander und sah zur Decke. Den Becher hielt er
wie ein kostbares Kleinod mit beiden Händen umschlungen auf dem Schoß.
„Man
munkelt, Celeborn habe sie geschickt.“
„Celeborn?
Doch nicht ohne Galadriels Wissen?“
„Nein“,
überlegte unser Informant, „das ist nicht wahrscheinlich.“
Galvorn
und Celthor stimmten ihm einmütig nickend zu.
Ich
grunzte blöd und unterbrach meine unkoordinierten Bemühungen mit der
Zunderbüchse.
„Wieso
nicht?“ verlangte es mich zu wissen.
„Wieso
sollte er es ihr verschweigen?“ lautete die Gegenfrage.
„Öhm...
naja...“ Ich zuckte die Achseln. „Keine Ahnung.“
Endlich
war es mir gelungen, einen Funken zu entfachen und den Tabak in Brand zu
setzen. Ich nahm einen langen Zug und löste damit ein empörtes Husten unter den
dreien aus. Na na. Nun habt euch mal nicht so!
Celeborn
hatte es also nicht nötig, etwas vor Galadriel zu verschweigen? Ich brummte
zufrieden vor mich hin. Sehr schön. Das paßte viel besser in mein Bild des
Prinzen aus Doriath als die farblose Person aus den Filmen.
Einige
gezielte Nachfragen ergaben, daß Celeborn ein sehr langmütiger Charakter mit
viel Verständnis für die Neugierde seiner Gattin war. Natürlich wußten die
edlen Elben dies in weit rücksichtsvollere Formulierungen zu packen, doch das
Ergebnis blieb das gleiche. Die drei besaßen durchaus einen großen Respekt vor
der Herrin Lóriens und ich konnte beim besten Willen keine ironische Andeutung
in ihren Beschreibungen der Hohen Dame finden. Nicht einmal dann, wenn ich sie
in meine eigenen plumpen Worte packte.
Meine Gedanken
schweiften ab. Ich erinnerte mich an die Bissigkeit, mit der Lindor von ihr
gesprochen hatte und zugleich fiel mir auf, daß er lediglich Thranduils Worte
gebraucht haben mochte, als er von >dem blonden Weibsbild< gesprochen
hatte. Es hatte so geklungen, als hätte der König unter Eichen und Weiden sein
ganz persönliches Problem mit der kalten Schönheit. Und Lindor? Nun, der hatte
damals wohl ebenfalls einen berechtigten Grund für seine Unmutsäußerungen
gehabt. Ich schmunzelte. Schon seltsam, daß ich mich so genau daran erinnerte.
„Kennst
du den Grund ihrer Entsendung?“ fragte Galvorn endlich und ich freute mich wie
ein kleines Kind, daß auch Elben einmal ungeduldig sein konnten. Oder ich
sollte besser sagen: ungeduldiger als ich, denn inzwischen war gut eine halbe
Stunde vergangen und es war mir nur mit Mühe und noch unter dem beruhigenden
Einfluß des Alkohols gelungen, meine Wißbegierde zu bezähmen.
Amondir
schlürfte mit Kennerblick den süffigen Wein und zögerte seine Antwort somit
noch länger hinaus. Schließlich stellte er den leeren Becher mit Schwung auf
den Tisch und erhob sich wie jemand, der noch einen wichtigen Termin
wahrzunehmen und deshalb keine Zeit für weitere Plaudereien hat.
„Nein“,
antwortete er schneidig und empfahl sich mit einer selbstzufriedenen
Verneigung.
Wir waren
wieder allein und sahen einander ratlos an. Dann wanderten unsere Blicke
gemeinschaftlich hinüber zu den Hohen Herrschaften. Thranduil hatte den
Gesandten einen Platz ganz in seiner Nähe angeboten, wo einige Stühle frei
geworden oder für sie geräumt waren. Die Besprechung war beendet und jetzt
erhob sich der König, um seine Gemächer aufzusuchen. Zuvor gab er dem
Bediensteten, der auf seinen Wink herbeigeeilt kam, irgendeinen Auftrag und
rauschte dann mit wehendem Purpurmantel hinaus, dicht gefolgt von dem grauen
Zauberer.
~*~