Ættryne

 

 

 

Gylthain bewegte sich wie ein Ringkämpfer im Kreis, die sich langsam nähernden Angreifer nicht aus den Augen lassend, beide Arme in Kampfstellung, in der Rechten das Scimitar, in der Linken ein kurzes Messer, das er dem letzten Gegner aus dem Gürtel gezogen hatte, in leicht geduckter Haltung, wie eine Raubkatze, die zum Schwung ausholt.

 

Die Orks umkreisten ihn wie man sich einer Giftschlange nähern würde, von der man nicht weiß, wann, wie schnell, und nach welcher Seite sie zustoßen würde. Keiner wagte den ersten Angriff. Sie fauchten und keiften und versuchten offenbar die jeweils anderen dazu zu bewegen den ersten Schritt zu machen. Vom Lagerfeuer aus schimpfte der Oberork, hielt sich aber weiterhin aus dem Kampf raus.

 

Endlich waren die Angreifer sich einig: Sie stürzten alle drei gemeinsam auf den Knaben los. Damit hatte dieser gerechnet. Rasch duckte er sich und flitzte zwischen zweien von ihnen durch. Dabei streifte er sie mit beiden Klingen. Nicht heftig genug um viel anzurichten, aber ausreichend, um sie fiepend und vor Schmerzen sich windend einen Moment lang zur Unachtsamkeit zu bewegen. Da war Gylthain auch schon hinter dem einen, der von den beiden anderen am weitesten entfernt stand, und stach ihn nieder.

 

Der unverletzte Ork jedoch war nicht abgelenkt. Er holte mit seiner Axt aus, und hätte Gylthain sich nicht geistesgegenwärtig zur Seite geworfen, hätte er ihm den Schädel gespalten. So fuhr die Klinge seitlich an seinem linken Oberschenkel entlang und bescherte ihm einen tiefen, schmerzhaften Schnitt. Aufschreiend ging Gylthain zu Boden. Doch als der Ork sich seines Opfers sicher glaubte, richtete dieses sich auf und trieb ihm erst das Messer ins rechte Auge, dann das Scimitar in den Unterleib.

 

Der dritte hatte sich seit dem Schnitt in die Seite nicht von der Stelle bewegt. Entsetzt starrte er den Knaben an. Gylthain zielte auf seinen Hals, unterhalb des Kehlkopfes. Das Messer flog durch die Luft und traf sicher sein Ziel. Der Ork sackte röchelnd in sich zusammen.

 

Gylthain stöhnte und versuchte den Schmerz in seinem Bein zu verdrängen. Mit einem zwischen den Zähnen hervorgestoßenen „Nur noch Einer!“ rappelte er sich, auf das rechte Knie gestützt, auf.

 

Der Oberork warf den Kopf in den Nacken und brüllte herausfordernd. Er hob Ættryne und schwang es seinem Gegner provozierend entgegen.

 

„Das ist das Schwert meines Vaters!“ knirschte Gylthain trotzig.

 

„Komm, und hol es dir!“ fauchte der Ork in einem miserablen Westron.

 

Der Knabe nickte. Er preßte die Linke auf seine Wunde. Warmes Blut quoll ihm zwischen den Fingern hervor und es gelang ihm nicht, das Bein voll zu belasten. Langsam humpelte er auf den Gegner zu, der ihn siegessicher erwartete.

 

Doch dann geschah etwas, womit der Ork nicht gerechnet hatte. Auf Entfernung der Reichweite seines Schwertes, warf Gylthain sich plötzlich zu Boden und rollte sich blitzschnell seitlich auf ihn zu, so daß er mit Wucht gegen die Füße des Orks prallte. Dieser japste vor Überraschung, verlor das Gleichgewicht und fiel, beide Arme nach vorne ausgestreckt um den Aufprall abzufangen, vornüber. Dabei verlor er das Schwert. Es flog in hohem Bogen in die Richtung, aus der Gylthain gekommen war.

 

Dieser sah darin seine Chance. Bei dem Manöver hatte er sein Scimitar fahren lassen müssen, weil es ihm hinderlich gewesen wäre. Jetzt lag der Oberork auf der Waffe, die somit für ihn unerreichbar war. Unfähig sich wieder zu erheben, hechtete Gylthain auf allen Vieren nach Ættryne. Hinter sich konnte er hören, wie der Ork sich aufrappelte.

 

Gylthain hatte keine Zeit, sich nach ihm umzusehen um festzustellen, ob er die Waffe bereits entdeckt hatte. Aber er rechnete damit. Schnell ergriff er das Schwert seines Vaters und rollte sich sogleich zur Seite. Keine Sekunde zu früh. Die rostige Orkklinge fuhr hinter ihm zu Boden und krachte auf den harten Felsen. Wieder in die andere Richtung rollend wich Gylthain einem erneuten Hieb aus, bevor er zum Gegenschlag ausholen konnte. Doch das Schwert war groß und schwer, und er hatte nicht genügend Luft. So streifte er den Angreifer nur harmlos am Arm.

 

Der Ork lachte schallend aufgrund dieser hilflosen Aktion.

 

Das machte Gylthain wütend. Allen Schmerz ignorierend schaffte er es, auf die Beine zu kommen, und auch wenn er wankte, so waren seine Chancen im Stehen weit besser, als am Boden liegend.

 

Das erkannte auch der Ork, der ihm gar nicht mehr zugetraut hatte, sich zu erheben. Er grunzte böse und wich unwillkürlich einen Schritt zurück.

 

Gylthains Blick wurde triumphierend. Er wog das Schwert in der Hand. Dann, so schnell, daß der Ork es nicht hatte kommen sehen, zog er ihm die Klinge seitlich über den Hals. Der Gegner ging, nach Luft japsend in die Knie.

 

Ic sciere grimme!“ brüllte Gylthain und trieb ihm Ættryne mit aller Kraft in die Brust. So gewaltig war sein Schwung und so mühsam hatte er sich selbst auf den Beinen gehalten, daß er mitsamt dem nach hinten umkippenden Feind nach vorne fiel und, den Knauf des Schwertes noch in der Hand, auf dieses gestützt mit den Knien auf den Boden schlug. Ein Schmerzschrei entfuhr ihm und stöhnend preßte er die Linke auf seine Wunde, ohne das Schwert loszulassen.

 

„... and slæpe efne æfter blodigum siege!“ flüsterte er mühsam unter Schmerzen, bevor ihm die Sinne schwanden.

 

 

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